Sehbehinderten droht Diskriminierung durch DRM Bern, 9. Mai 2007. Hinter den Kulissen der politischen Bühne tobt eine heftige Auseinandersetzung um die Einzelheiten der Revision vom Urheberrechtsgesetz (URG). IFPI, die Organisation, die die Interessen der Musik- und Filmindustrie vertritt, rühmt sich auf ihrer Website [1] bereits jetzt "IFPI Schweiz war in der Kommission zur Erarbeitung des revidierten Urheberrechtes massgeblich vertreten". Tatsächlich ist in dem aktuellen Entwurf zur Gesetzesrevision [2] die Forderung der IFPI nach einem gesetzlichen Schutz für technische Nutzungseinschränkungen berücksichtigt worden. Solche Nutzungseinschränkungen, DRM (Digital Restrictions Management) genannt, sollen beispielsweise bewirken können, dass man eine CD nur dreimal kopieren kann. Allerdings ist in dem Gesetzesentwurf, der am Donnerstag 10. Mai in der Rechtskommission des Nationalrats beraten werden soll, ein Kompromiss vorgesehen: Die Umgehung von DRM soll erlaubt sein, wenn man nur gesetzlich erlaubte Kopien herstellt, wie etwa zur Weitergabe im privaten Kreis oder um einen Text in einem Standard-Format zu speichern, das mit den von Blinden und Sehbehinderten verwendeten sogenannten Assistive Technologies gelesen werden kann. Um kontrollieren zu können was der Empfänger mit einem Text, einem Musikstück oder einem Film machen kann, halten DRM-Befürworter einschneidende technische Nebenwirkungen für gerechtfertigt. So schreibt die IFPI [3] "Wir gehen im Übrigen davon aus, dass auch Sie nicht der Ansicht sein werden, unsere Rechtsordnung sollte sich dem «Design der Website nach W3C-Standard» unterordnen." Aus der Sicht der Swiss Internet User Group (SIUG) [4] sind dieser Angriff der IFPI auf Internet-Standards und die bei Anwendung von DRM resultierende Abkehr von offenen Standards für Textdokumente und Multimedia-Dateien Bedrohungen für die Integrität des Internets und für wichtige Grundprinzipien der Informationsgesellschaft. Jetzt wollen sich die Lobbyisten der IFPI sogar mit dem im aktuellen Gesetzesentwurf enthaltenen Kompromiss nicht mehr zufrieden geben: Sie fordern, dass die Umgehung von DRM in jedem Fall und ausnahmslos verboten werden soll. Dies würde Blinde und Sehbehinderte besonders hart treffen. Das wird von den Organisationen des schweizerischen Blindenwesens bestätigt: Auf Anfrage der SIUG hat Bernhard Heinser, der eine ganze Reihe von Blinden- und Sehbehindertenorganisationen im Zusammenhang der URG-Revision vertritt, ein ausführliches Statement formuliert [5]. Er betont, diese Forderung der IFPI "hätte hinsichtlich der Versorgung von Menschen mit Behinderungen mit zugänglicher Information und Literatur aller Art katastrophale Auswirkungen." Markus Riesch, CTO der für die Zertifizierung von Websites für Menschen mit Behinderungen zuständigen Stiftung Access For All [6], warnt: "DRM-Systeme diskriminieren Menschen mit Behinderungen, wenn dadurch der Zugriff von assistierenden Technologien auf die elektronischen Daten eingeschränkt wird. Die Gleichstellung von Behinderten wird dadurch gefährdet." Links: [1] http://www.ifpi.ch/ [2] http://www.siug.ch/URG/urg-2006-12-01-de.pdf [3] http://blog.allmend.ch/2007/04/24/antworten-von-der-ifpi-zum-dj-vertrag/ [4] http://www.siug.ch/ [5] http://www.siug.ch/URG/statement-sbszh-2007-05-08 [6] http://www.access-for-all.ch/ Kontakt: Norbert Bollow, Präsident der SIUG Tel. 044 972 20 59 Email nb@bollow.ch Über die Swiss Internet User Group (SIUG): Der Verein SIUG will die Kultur und die Attraktivität des Internets fördern. Wir engagieren uns für Privatsphäre und Mitgestaltungsmöglichkeiten in der Informationsgesellschaft. http://www.siug.ch/